Ältere sind im Arbeitsleben unverzichtbar

Und die Erde ist né Scheibe
Morgens an der Stadtbahn starrte mir ein Plakat entgegen auf dem in netter Mitt-​/​Endfünfziger eine Zeitung hochhielt mit dieser Schlagzeile. Das Wort unvermittelbar war dabei dick durchgestrichen und unverzichtbar rot drübergepinselt.
Das heisst, die Regierung hat nun gar keinen Plan mehr, wie sie die gebetsmühlenartig praktisch seit Beginn der Globalisierung in allen Medien herbeigeschriebene Wende am Arbeitsmarkt realisieren soll und die Firmen veranlassen, über 50-​jährige einzustellen statt junge Kräfte notfalls vom Mars zu holen um nur ja keine Grauhaarigen einstellen zu müssen. Fachkräftemangel sollen wir haben. Ältere soll man einstellen. Soll. Bloss tuts keiner. Und wenn dann so ungern wie Steuern zahlen.
Denn wer auch immer das Plakat da erfunden hat, der möge bitte ein einziges Mal versuchen, als Fachkraft mit über 45 einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Geschweige denn als Nicht-​Fachkraft, also als einer von den armen Typen, die unsere Pakete schleppen, unseren Hof fegen, unseren Müll entsorgen, unsere billigen Brötchen aufbacken, in unseren Hotels für zwei Euro die Zimmer richten, sich als Verkäuferin täglich die Füße ablaufen etc. etc. Ich zahl ihm auch seine Therapie gegen die unausweichliche Schwersttraumatisierung mit anschließenden Angststörungen und/​oder eventuellem Alkoholismus oder Depressionen.
Versprochen. Wenn man schon ausgesiebt und als altes Eisen von der Wirtschaft dankend abgelehnt wird, während man eigentlich noch voll im Saft steht und mit den Erfahrungen eines 20−30jährigen Berufslebens mal richtig was bewegen könnte, dann ist es doch wirklich ganz toll, wenn man auch noch solchen Zeugs lesen muss.
Nein, die Wirtschaft stellt Ältere nicht ein.
Nicht wenn sie es irgend verhindern kann. Sollen doch gefälligst andere machen.
Wenn es einen Mangel gibt, steigt die Altersgrenze notgedrungen etwas an und sofort wenn es wieder einen Durchhänger gibt, sinkt die Altersgrenze wieder.
Willkommene Arbeitskräfte werden anders behandelt. Oder?
Und:
Nein, die Quote der Älteren steigt nicht durch Neueinstellungen sondern alleine deshalb weil die arbeitende Gesellschaft altert und die Leute weniger drastisch in den Vorruhestand gedrängelt werden. Diverse Entsorgungsmodelle (Altersteilzeit, Abfindungsmodelle etc.) rechnen sich nämlich inzwischen nicht mehr.
Und:
Wer mit über 50 rausfliegt kann sich immer noch schon mal darauf einstellen, sein ganzes in 30 oder mehr Jahren mühsam verdientes Geld, Haus, Hof und im Extremfall Familie los zu werden und als vereinsamter Hartz IV-​Hungerrentner sein Leben alleine vor der Glotze zu beschließen. Wenn er sich den Strom dafür noch leisten kann. Sonst kann er ja Patiencen legen. Oder gleich in den nächsten Fluß springen. Ist eh jedem egal.
Solche naiven Plakate helfen auch nicht weiter.
Ich warte darauf dass der erste Kasten samt Plakat von einem Älteren geschrottet wird, der arbeitslos ist und keinen Bock hat, jeden Morgen auf dem zwecklosen Weg zum Arbeitsamt (oder zum Flaschensammeln) dieses Ding vor der Nase zu haben.
Rubbelt die rote Farbe ab. Was am Anfang da stand als Schlagzeile, das stimmt nämlich.