Südfriedhof

Ihr kennt Willi nicht. Ich habe ihn an einem regnerischen Herbsttag im Oktober kennengelernt. Die Lichter waren schon an; die Straßenlaternen.die, mit den kleinen altmodischen Lampengestellen im Inneren, mit der kleinen Schaukel unter der Glühbrine und der herunterhängenden Schnur fürs Anknipsen. sie waren gerade angegangen. Und ich ging über den Vorplatz dieses Friedhofs im Bilker Süden, direkt an der Stadtgrenze zu Neuss. kurz, bevor man auf die Brücke fährt, kommt ein Blitzer. kennt ihr die Stelle?.. Und unter der Brücke verläuft der Strand, der unseren Fluss begleitet, an ihm entlangfliesst. Der Vater Rhein in die Niederlande führt.Ich drehe mich im Nieselregen um, von der Brücke aus schneidet der Wind.
Kleine, feine Sprühtropfen, die sich zuerst harmlos anfühlen, aber auf Dauer schneiden.
Die Kapuze meiner Jacke reicht bei weitem nicht, ich mache sie bis oben hin zu .
Und Willi fragt, warum ich nicht hereinkomme?.. Er sitzt auf seinem Grabstein, etwas weiter im Inneren des Hauptteils, ich will eigentlich nur auf die Bahn warten. Ich will nach Hause in die Wärme, die den Herbst draußen hält.Aber sie braucht noch etwas, wie so oft in dieser Stadt. Sie wird nicht pünktlich sein. Also drehe ich mich in Richtung von Willis Stimme und gehe auf ihn zu, betrete das Friedhofsgelände.Das Pförtnerhaus, direkt am Anfang des Geländes, ist ein wundervolles, sich treu gebliebenes Relikt der wilhelminischen Zeit. Der Regen schwärzt es. Und die Gräber reihen sich ordentlich in ihren Parzellen. Willi erzählt mir von Griechenland, dann von Frankreich, im Hafen von Brest war er zur Hafenwache eingeteilt. Er sah die englischen Flieger nicht kommen und so ist er hier gelandet. Seine Uniform ist etwas abgenutzt und seine Haut hat sicher bessere Zeiten gesehen, aber seine Bilker Seele ist gesellig, wie eh und je und wir kommen ins Gespräch.Ich blicke über die Gräber seiner Freunde und Bekannten, die vor 1945 gehen mussten und lausche den Geschichten, die er erzählt.Hier vorne sind sie alle, wenn man den Friedhof betritt. Wie groß dieses Areal selbst bei Nacht ist. wie weitläufig.wie großzügig.und mit jeder strichgenauen Zeichnerhingabe der Kaiserzeit entworfen. Eher ein Park, als ein Friedhof.Fräulein Adele gesellt sich dazu; sie kam 1834 aus dem herrschaftlichen Württemberg in das Land am Rhein, um als Gouvernante zu unterrichten und zu erziehen. Doch die Tuberkolose raffte sie in jungen Jahren dahin. Nichtsdesdotrotz hat sie immer etwas zu schwatzen mit Willi, mit dem Studenten Andy, der sich 1974 in einer der Toiletten der Uni den goldenen Schuss setzte und mit Geoff, der mit seiner Deutschen Freundin aus den Barracks nach Düsseldorf kam, nachdem er den Army-​Dienst beendet hatte.
Sie zeigen mir die verschiedenn Abteilungen ihrer Grabstätten, die grandiosen Gründerzeit-​Bauten, die wir überall auf dem Friedhof finden, die herrliche, friedvoll-​stumme Anlegung der Gräber, die nicht nur sehr gelungenes Steinmetz-​Design des Fin de Siecle präsentiert, sondern auch noch sehr großzügig und weitläufig gestaltet sind. Die Bahn kommt, ich habe unterschätzt, wie schön dieser Totenacker ist. Ich muss los, zur Bahn,.ich drehe mich um, um mich zu verabschieden. Aber natürlich ist niemand mehr da. Ich lächele, ich habe neue Bekannte. und ich werde wiederkommemn, denn dieser Ort ist groß, schön und durchgeplant genug, um ihn wirklich als Einkehr zu Ruhe und innerer Einsicht gebrauchen zu können.