Drei Männer im Boot

Wer um die Aussenalster wandert, wird nach vielen lieblichen Streckenanteilen des 7,5 Km langen Parcours am Südostufer plötzlich ein wenig die gute Laune verlieren: Hier vor St. Georg rauscht plötzlich der Verkehr einer sechsspurigen Straße am Wasser entlang, die Brücken sind nicht mehr klein und hübsch sondern aus Beton und funktional bis gruselig und an der Südostecke erweitert sich das Ufergebiet plötzlich zu einer recht kahlen Fläche aus Wiese und Beton, ein negativer Kontrast nach all den kleinen Winkeln mit alten Bäumen und hübschen Ausblicken am Ostufer. Und dann steht da eine über 10 Meter hohe Steinsäule mit einem kaum zu erkennenden Bronzemonument auf der Spitze. Das mutet irgendwie übertrieben und megaloman an man möchte fast paranoid eine nationalsozialistische Genese des Ortes annehmen und muss sich eines besseren belehren lassen.
Die verschmierte Tafel ergibt, dass sich auf dem Riesenpodest eine Skulptur von Edwin Scharff befindet, der definitiv nicht zum Dunstkreis der Nazis gezählt werden kann und der die öffentliche Kunst in Hamburg so maßgeblich geprägt hat (die meisten öffentlichen Skulpturen sind von seinen Schülern!), dass einer der renommiertesten Kunstpreise der Stadt nach ihm benannt wurde. Beim genauen Hinsehen erkennt man dann auch, dass auf der Spitze tatsächlich drei Männer stehen, dicht gedrängt, in einem viel zu kurzen Kahn, und mit überlangen Rudern das Boot zu lenken suchen, vermeintlich im Gleichtakt. Ob hier eine Symbolik zugrunde liegt? Das Boot ist das System, das von vornherein ungeeignet ist und daher können sich die Menschen noch so mühen? Gleichschritt und Gleichschaltung bringen nichts, da sie auf schwachem Fuß stehen? Oder ist das ganze nur ein Spiel mit Form und Ästhetik, ein Ausdruck der Suche nach ungewohnter Proportion?
Keiner kommt hinter den Weiden hervor und antwortet. Vielleicht gut so, denn so behält der Ort dann doch etwas rätselhaftes und somit positives.
Zur Person: Edwin Scharff wurde 1887 in Ulm geboren, studierte an der Königlichen Akademie in München und wechselte früh zur Bildhauerei. Er wandte sich schnell einer eher expressionistischen Formgebung zu, hatte aber auch Affinitäten zum Kubismus. 1913 wird er Gründungsmitglied der Münchner Sezession. 10 Jahre später wird er Professor für Bildende Künste in Berlin und erhält eine Flut von Aufträgen für den öffentlichen Raum. Die Nationalsozialisten lassen ihn zunächst weitgehend in Ruhe, schicken ihn aber von Berlin nach Düsseldorf. Dort wird er innerhalb eines Jahres vom unbeachteten zum geschmähten Künstler seine Werke landen 1937 in der Ausstellung Entartete Kunst, viele werden zerstört. Er überlebt die Kriegszeit und tritt 1946 eine Professur an der Hamburger Kunstschule an, die er bis zu seinem Tod 1955 beibehält.