Kölner Express

Sicherlich, die Bild-​Zeitung, sozusagen die Mutter des deutschen Boulevardjournalismus, gibt es auch in und um Köln zu kaufen. Aber allein schon die Auflage der Kölner Variante zeigt: Die Bild spielt hier nicht die erste Geige. Schließlich ist Köln Express-​Land. Seit 50 Jahren erscheint er in und um Köln, der Express– von dem es ja sogar eine Düsseldorfer Variante gibt.
Qualitätsjournalismus? Eher nein. Auch wenn der Express im selben Verlagshaus erscheint wie etwa der Kölner Stadtanzeiger. Die Mediengruppe DuMont Schauberg scheint jedes Tagespressesegment bedienen zu wollen. Gefällt mir nicht wirklich, wenn es zwar mehrere örtliche Tageszeitungen gibt, aber alle aus demselben Haus kommen. Das ist für mich Pseudo-​Pluralität.
Aber nun zum Express. Ich glaube, dass man dann, wenn man sofort über jede Barthaarkrümmung bei Geißbock Hennes oder jede Zerrung im linken Ohrläppchen eines Spielers des 1. FC Köln Bescheid wissen will, definitiv nicht am Express vorbeikommt.
Ansonsten: Kann man reinschauen. Muss man aber nicht. Es gibt zwar Schlechteres an Printtiteln im Land– aber auch Besseres.

Ja, ich gebe es zu, ich lese Express. Nicht um mich über das politische Weltgeschehen zu informieren, denn dazu gibt es wahrlich besseres, aber um zu erfahren was gerade so in Kölle los ist. Beispielsweise wie die Haie gespielt haben und ob der KEC somit noch eine Chance auf die Play Offs hat oder nicht.

Der Express ist wirklich zum Lachen, das passiert mir meist, wenn ich auf die Zeitungsaufsteller schaue, wenn ich mit dem Fahrrad vorbei fahre, in denen dann jeweils der Titel ausgestellt ist, oder — ganz aktuell und wichtig — die neueste Schlagzeile auf Papier drunter geklebt. Gekauft habe ich mir dieses Boulevard-​Blättchen allerdings noch nie und bin trotzdem als aufgeklärter und gut informierter Mensch durchs Leben gekommen. Die Idee, die niederen Instinkte des Menschen bzw. unserer Gesellschaft z.B. des Voyeurismus zu bedienen und damit Geld zu verdienen, ist nicht neu. Man blicke nur zurück auf die Jahrhundertwende und die Freak Shows, in denen körperlich entstellte Menschen auf Jahrmärkten ausgestellt wurden (ich empfehle hier den Film «Der Elefantenmensch» von David Lynch). Natürlich bedient nicht ausschließlich der Express diese Gier, ein Großteil der Medienlandschaft agiert auf einem ähnlichen Niveau. Die Frage ist natürlich, ob man den Express als ausschließliche Informationsquelle nutzt, oder aber als Ergänzung, um wohl wissend ein Bild von der Lage zu bekommen und um fest zu stellen, welch phantasiereiche Formulierungen man sich schon wieder hat einfallen lassen, wenn man mal den wenigen Text durchliest. Achja, es muss halt alles geben und Volksverdummung ist schließlich auch eine Kunst.

In Köln liest man nicht Bild, in Köln liest man Express. So jedenfalls die Wunschvorstellung der Herrn derer Marketingabteilung. Fakt ist, wenn man sich eine Boulevard-​Zeitung mit lokalem Einschlag kaufen will ist man mit dem Express besser aufgestellt als mit der Bild.
Der Express ist in erster Linie mal das Medium was den Offiziellen des FC das Leben schwer macht. Nebenher gibt es dann den normalen Schwachsinn der Yellow-​Press.

Der Express ist das rheinische Pendant zur Bild-​Zeitung und titelt tagtäglich mit spannenden Stories über Amok-​Frauen, perverse Gehälter irgendwelcher Berufsgruppen, Rentner-​Diebe und prominente Spitzensportler. Oder berät bei Problemen in Lust– und Liebesdingen. Eben das, was das Volk interessiert. Meint man. Tut es aber anscheinend auch, denn das Blatt hält sich seit den Sechzigern und ist mit einer Auflage von knapp 200.000 Stück nicht gerade als Nischen-​Zeitung zu bezeichnen. Ob man es dennoch lesen sollte, um sich über das aktuelle, politische Geschehen zu informieren, sei dahingestellt. Andere Blätter aus dem Hause Neven-​Du-​Mont geben da wohl einen besseren und sachlicheren Überblick.

Lieber Ernst,
nicht, dass du denkst, ich hätte was gegen Dich, aber ich muss dir schon wieder widersprechen. Es liest nicht jeder den Express — ich les ihn nicht und das ist kein intellektuelles Dahergequatsche. Ich les ihn wirklich nicht. Ich ertrag’s nicht, echt. Die Bild-​Zeitung ist ja schon schlimm, aber immerhin arbeiten da Leute mit einer Ausbildung, auch wenn sie diese für zweifelhafte Zwecke verwenden und die Promis, über die die Abrotzen, kennt man wenigstens. Aber der Express geht gar nicht. Diese Pseudo-​Skandale und Kölsch-​Promis, die selbst mich als Kölnerin nicht bewegen. Und dann noch seit kurzem die X-​Scout-​Aktion. Überall hängt dieser Typ mit der Pelzmütze in der Stadt rum und im Kino gibt es diesen unverständlichen Werbespot. Wer sind diese X-​Scouts? Und was wollen die von mir?
Ich fasse es einfach mal zusammen mit dem 9. Kölner Gebot: Wat soll dä Quatsch?

Den Express, den les ich nicht. PIIIIEEEEEP! Da schreit der Lügendetektor. Den Express liest jeder! Ok, die einen mit Sicherheit mehr als die anderen. Die einen lesen ihn nur online, für die FC News. Nirgends sonst kann man alle Infos so wunderbar unreflektiert über seinen Lieblingsclub lesen. Die anderen lesen ihn in der KVB. Man freut sich richtig, wenn man einen liegen gelassenen Express auf seinem Sitz vorfindet. Das ist wie die Gratiszeitung in der Bahn, nur dass der Express mehr Spaß macht zu lesen. Einige gibt es auch, die ihn kaufen. Jedenfalls nehme ich das an, denn irgendwer muss sie ja in der KVB ablegen. Jeder Jeck ist ja schließlich anders.