Querkopf

Querkopf ist eine sehr, sehr gute Zeitung. Mal abgesehen davon, dass man damit tatsächlich jemandem direkt hilft, sind die Artikel darin sehr interessant. Die Zeitung wird nämlich auch von Obachlosen selber hergestellt. Das Heft ist also auch inhaltlich ganz auf die Themen der VerkäuferInnen ausgerichtet. Es gibt Berichte vom Leben auf der Strasse, sinnloser Bürokratie, aber auch von hilfsbereiten «Amtsschimmeln» und Menschen, die den Ausstieg geschafft haben.
So manches Mal, wenn ich dachte, ich hätte einen Sch…-Tag gehabt, hat mich die Lektüre von Querkopf auf den Boden der Tatsachen zurück geholt. So einen Reality-​Check sollte man sich ab und zu mal geben, finde ich. Darum kaufe ich Querkopf eigentlich immer.

Puh. Das ist wieder so ein Thema für sich, als dass ich aufpassen muss, keinen Roman zu schreiben.
Man jammert hierzulande häufig auf hohem Niveau, da kann ich mich nicht ausschließen. Grundsätzlich sollte man vielleicht immer mal ein wenig mehr Demut davor haben und dankbar dafür sein, was man so alles hat, materiell und ideel, Gesundheit, Dach überm frisierten Kopf, Freunde, Familie, lecker Essen, Job usw… so sind wir selten gestrickt.
Zuweilen ist es aber in einer immer mehr Leistungen fordernden Ellbogen-​Gesellschaft nach vielen Stunden-​Schichten, in denen man teilweise eine Faust in der Tasche machen musste, um den Job auch nicht zu verlieren, so né Sache, wenn man dann beispielsweise von jungen, angetrunkenen Punks, die mental und körperlich EIGENTLICH ebenfalls arbeiten könnten, angeschnorrt wird. Jeder soll ja, wie er meint undso, aber dann bittschön eben auch unabhängig. Am Besten finde ich noch, wenn man nichts gibt und dann beschimpft wird. Was soll das.
Ich bewundere diejenigen, die vollkommen autark ihre eigene Nahrung anpflanzen, in einer Kommune leben und der Kapitalisten-​Gesellschaft damit den Mittelfinger zeigen. Ich könnte sowas nicht.
Ich finde auch nicht, dass Bettler beispielsweise was TUN müssen im Sinne von auf ner Blockflöte spielen, um das Kleingeld im Hut aufzubessern. Ich mag nur keine Aufdringlichkeit, richtig angefasst und fest gehalten werden mit BITTEBITTEBITTE-​Sätzen, alles schon erlebt.
Ich mag auch keine aufdringlichen Marketing-​Vertreter. Grundsätzlich einfach kein aufdringliches Verhalten. Und nun komme ich auch zum Punkt. Die Obdachlosen von Querkopf empfinde ich nicht als aufdringlich. Sie bieten eine Zeitung an, sie machen quasi ihren Job und sind freundlich. Kauft man nichts, gibt man keine Spende, wird ein schöner Tag gewünscht und wohl eine Faust in der Tasche gemacht.
In der Zeitung selber gibt es auch z.B. Werbung für Umzugshilfen, von Odachlosen durchgeführt. Das darf man sich ruhig trauen. Obdachlose sind nicht zwangsweise unehrliche, kriminelle Charaktere. Manch studentische Aushilfen lassen schon mal eher was mitgehen. Auch hier: Alles schon erlebt. Du kannst den Leuten eben nur vor den Kopp gucken. Jedenfalls: Für Querkopf und die Mitarbeiter: vier Sterne.

Querkopf ist eine Selbsthilfe-​Mitmachzeitung, die nun seit einigen Jahren besteht. Die Querköpfe schreiben über alles, was ihnen wichtig ist und äußern sich kritisch gegen «die Willkür der Mächtigen». Klingt links und ist es meist auch. Aber wer einen weiten Horizont hat oder sich erarbeiten möchte, sollte unbedingt mal reinlesen, denn so kann man mal andere Sichtweisen der Dinge kennenlernen. Und wer das Heft kauft, unterstützt auch die Obdachlosen, die dieses Heft verkaufen. Denn von den 1,50 Euro geht die Hälfte direkt an die Verkäufer.
Mittlerweile gibt es in Deutschland viele solcher Projekte und ich finde den Ansatz sehr gut und unterstützenswert. Denn auch für das Selbstwertgefühl ist es wohl besser, nicht nur um eine Spende zu bitten, sondern an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten und eine «Gegenleistung» bieten zu können. Deshalb 5 Sterne.