EINTATORTIMKREUZFEUER Zunächst einmal ein dreifaches Bravo für diese exzellente Abendunterhaltung. Wobei das nicht den Kern der Sache trifft. Beim Tatort geht es lange schon nicht mehr um bloße Unterhaltung schlechthin, nein es ist mittlerweile UNSERTATORT geworden. Ein Event am trägen Sonntagabend. Der Tatort wird fast schon performt und in jeder Menge Kneipen als kollektives Crime-Watching angeboten. Das ist gut so… denn nun braucht sich niemand mehr vor seinen verschwiegen gehaltenen Gelüsten verstecken. Der TATORT wurde endlich hoffähig. Schluß mit den Schimanskis und Stövers. Endlich werden Themen aufgegriffen(bei einigen Sendeanstalten bereits seit längerer Zeit praktiziert/siehe Tatort WDR), die brisanter nicht sein könnten. Kindesmißhandlung, politische Verfehlungen, Kirche etc. Nun auch unser liebstes Stiefkind: die Bundeswehr. Schlimm genug, dass sich junge Menschen per Marschbefehl in einen Krieg befehlen lassen müssen, der mit uns genauso viel zu tun hat wie ein Sprintweltrekord mit einer Schnecke. Bei aller Toleranz und jeglichem antizipierenden Sachverstand für die Wahrung des Weltfriedens, verstehe ich nicht, was ein deutscher Soldat in Afghanistan verloren hat? Außer sein Bein, seine Seele und sein Hirn… Bauernopfer einer traurigen Politik, die hilflos nach dem Leben Unschuldiger trachtet. Wenn schon nicht körperlich dann eben seelisch verstümmelt geraten die Helden als Märtyrer zurück in ihre Heimat und werden bei ihrer Reise durch das Traumatikum sich selbst überlassen. Und wer kann da noch einen genauen Strich zwischen Täter und Opfer ziehen? Vielleicht Landjäger von und zu Guttenberg, der Lothar Matthäus immer ähnlicher wird… nicht nur im Aussehen, finde ich. Schon allein die Anmaßung, sich über die Probleme und Kulturen anderer Völker und etnischer Menschengruppen zu erheben, finde ich perfide und konspirativ. Hier geht es doch hauptsächlich um EGO und MARTIALISCHEWOLLUST denn um die Wahrung einer globalen Weltordnung. Wer Krieg SPIELEN will, soll es gern tun. Täglich praktiziert am PC, von Kindern und Jugendlichen in ihren abgedunkelten Kammern. Das ist nicht gesunder als Pornos gucken, aber eben krank. So krank, dass es auch dafür bereits Krankheitsbezeichnungen gibt. Psychologen an die Front. Eure Arbeit wird nicht weniger werden in den kommenden Jahren. Ein Beruf mit einer geringen Hartz-Vier-Wahrscheinlichkeit. Schlimm genug… Hier tut Aufklärung not. Vor allem in Schulen, da die meisten Elternhäuser nicht in der Lage dazu scheinen. Von meinen Lehrerfreunden weiß ich, wie wenig Unterrichtsstunden und Intensität dem Krieg und der Zerstörung gewidmet werden. Fast, als schäme die Bildung sich dafür, es Kindern und Jugendlichen beibringen zu MÜSSEN. Ethik und Moral fängt bei der Prävention von Gewalt an… und nicht bei der Angst davor. Ach wenn eine Familie Sarrazin noch so viele alberne Bücher schreibt. Einer faulenden Pflanze muß an der Wurzel geholfen werden, denn es nutzt nichts, ihr immer nur die welken Blätter abzuschneiden. Komödienstadel im Bundestag hilft nicht beim Lösen eines geistigen Kampfauftrages, der seit vielen Jahren auf der Agenda unseres humanistischen Bildungsprogramms steht. Der Tatort half zumindest jenen weiter, die sich bewußt nicht nur den Themen des Alltags stellen und eine substanzielle Haltung zu Problemen der Zeitgeschichte einnehmen. MEINSOHNGEHTNICHTINDENKRIEG!!! Das ein solcher Film keine Kriege per se verhindern kann, ist klar. Aber er kann aufzeigen. Finger auf Wunden drücken. Dass kein Deutscher Soldat jemals mehr eine Waffe auf einen Menschen richten soll. Gregor Weber(uns allen bekannt als Sohn der Familie Heinz Becker) und Maxi Brückner haben sich zu einem glaubwürdigen und gut spielenden Paar entwickelt, das in der Tatort-Landschaft Zukunft hat. Dass sich gerade der SR diesem Thema annahm, überraschte mich ein wenig. Schonungslos wird ein Psychogramm aufgezeigt, das bedrückender kaum sein kann. Nicht nur als Abendunterhaltung schlechthin, sondern als ein Bildungsauftrag, der uns alle angeht. Und schon allein deswegen finde ich es zunehmend spannend, die steigenden Popularität einer Sendereihe zu beobachten und wünsche den Autoren weiterhin viel Obacht bei der Auswahl ihrer Themen. Und außerdem wünsche ich mir, dass diese Filme Nachhall hinterlassen, für Kontroversen und Kreuzfeuer sorgen. Denn auch davon lebt die Weiter-Bildung eines Volkes, das seinen Ruhm nicht allein Suse, Einstein oder Diesel zu verdanken hat, nein auch Schiller, Kant oder Tucholski. Bebel, Marx und Hölderlin. In diesem Sinne: Wieviel Vietnam braucht der Verstand um zu begreifen?