Der«Engel von Württemberg»: Auch Engel müssen leiden Da ich sie schon mehrmals erwähnt habe und das«Franzele«vor just 200 Jahren starb, haben mich einige gefragt, ob ich nicht Näheres zu der Dame wüßte. Immerhin zähmte sie den wild herummaitressierenden Herzog Carl Eugen, tat sehr viel Gutes, baute zusammen mit dem Herzog einen Haufen Sehens– und Merkwürdigkeiten und war zum Schluss sogar Herzogin von Württemberg. Also: Herzog Carl Eugen war mit einer Frau verheiratet worden, die ihm nichts bedeutete. Normal für einen Herzog damals. Man heiratete ja nicht nach Liebe sondern nach Politik und Mitgift. Er hatte dann eine Menge Mätressen, die er leider auch nicht mit dem Herzen lieben konnte. Mit was anderem schon, er zeugte jedenfalls illegitime Kinder en masse. Aber wie es so ist, wenn die wahre Liebe fehlt: die Damen konnten ihn immer nicht lange fesseln. Dann musste ein anderes Modell her. Die Herzogin, die wohl auch nicht gerade rasend in ihren Gatten verliebt war, sah sich das Ganze nicht lange an, ging auf und davon und lebte fortan von ihm getrennt. Nun sah er bei einer Jagd in Kirchheim unter Teck die 23-jährige Franziska von Leutrum, ein Mädel aus verarmtem Adel, das mit 17 an einen Freiherrn von Leutrum verheiratet worden war, um sie«versorgt» zu wissen. Ausgesucht hatte sie ihn sich sicher nicht selbst, sie war zwar selbst keine besondere Schönheit aber der Freiherr war schief– und kleinwüchsig, ziemlich häßlich und noch dazu jähzornig, er soll sie schlecht behandelt und sogar geprügelt haben. Nunja, kitschig genug aber es passierte: der Blitz schlug ein und der Herzog war verliebt. Und zwar richtig. Franziska verhielt sich, ganz entgegen ihrem als sehr rassig beschriebenen Temperament, interessiert-reserviert, immerhin hatte sie, wie man so schön sagt, noch den Namen ihres Gatten zu vertreten, vielleicht war sie auch anfangs nicht ganz so enthusiasmiert wie der Herzog. Er war ja nun auch nicht mehr jung, bestimmt nicht mehr schlank oder schön, mit ihrem grauslichen Ehemann allerdings konnte er es wohl doch noch locker aufnehmen. Carl Eugen, dem verwöhnten Frauenschwarm, gefiel es wohl sehr, dass die Dame sich nicht beim ersten Fingerschnipsen in sein Bett warf und seine amtierende Maitresse, eine italienische Sängerin, hing ihm eh schon wieder zu Hals heraus. Alsbald wurde die Schöné abgefunden, aus dem Schloß Hohenheim rausgeschmissen, die Scheidung vom Freiherrn mittels einem Haufen Geld flugs betrieben und das«allerliebste Franzele» zog zunächst ins Schloß Hohenheim, dann als Maitresse en titre ins neue Schloß nach Stuttgart. Da die durch die Eskapaden ihres Gatten arg gekränkte Herzogin sich jedoch nicht scheiden lassen wollte, musste Franziska bis zu ihrem 37. Lebensjahr warten bis der Herzog, dessen Liebe zu ihr — man lese und staune — sich niemals abkühlte, sie heiraten konnte. Inzwischen kümmerte sie sich fromm und wohltätig ums Volk, und das in einem Ausmaß, dass sie als«Engel von Württemberg» galt. Sie war ja selbst arm gewesen und wusste eher wo es bei den«Normalbürgern» klemmte als der Herzog. So lebten die beiden Turteltäubchen bauend und(auch) Gutes tuend weiter, bis Carl Eugen starb. Noch am Todestag schmiß sein Bruder die unliebsame, weil evangelische und geschiedene, Schwägerin aus dem Neuen Schloß und verbannte sie ins Alte Schloß. Keine hundert Meter weiter aber in ganz anderer, wesentlich weniger luxuriösen Umgebung lebte sie einige Zeit, bis man ihr das Schloß Kirchheim als Witwensitz bestimmte, wo sie auch den Herzog kennen gelernt hatte. Sie lebte nun sehr zurückgezogen und starb 1811 schließlich lange und peinvoll an Krebs.