Als ich das erste Mal in diese Stadt kam und planlos in den eben erwobenen Stadtplan schaute, sah ich ein Bild von zwei Fischen, die sich gegenseitig ins Maul beißen. Wer sich das jetzt nicht vorstellen kann, der öffne seine Hände, als wenn er zwei imaginäre Becher vor sich hielte und schiebe beide so ineinander, dass zwischen ihnen ein kleiner, gleichmäßiger Abstand verbleibt in der Form ungefähr eines Fragezeichens. Capisce? Die Hände sind die Stadt, der Abstand dazwischen der Canal Grande, der sie in zwei Hälften teilt. Es gibt vier Brückenverbindungen hinüber, auf immerhin fast vier Kilometer Länge; die älteste, Rialto, an der Spitze des linken Zeigefingers, Accademia am rechten Daumen, am Bahnhof die Dritte ungefähr an der Spitze des rechten Zeigefingers gelegen. Und vor einem Jahr hat man eine vierte, am Busbahnhof Piazzale Roma, errichtet. Eine weitere Möglichkeit, auf die andere Seite zu gelangen ist es, den Vaporetto zu nehmen, Linie 1 fährt den Kanal im Zickzack rauf und runter. Und dann gibt es da noch die Fähre mit der Gondel. Der Stand der Gondolieri ist nach außen abgeschottet wie eine mittelalterliche Zunft. Das wird man nicht einfach so, das erbt man vom Vater. Neue Lizenzen werden nicht vergeben, da ist schwer ranzukommen, ähnlich wie an eine Dauerkarte im Camp Nou von Barcelona. Gondolieri gelten als zumindest wohlhabend, dabei umgibt sie ein rüder Piratencharme und eine Aura männlicher Rituale. Besonders nett sind sie nie. Stolz und ruppig bieten sie ihre überteuerten Dienste an, innerlich scheinen sie über ihre Kundschaft zu lächeln. Als Gegenleistung für den Monopolstatus, vielleicht auch zur gelegentlichen Erdung müssen sie in regelmäßigen Abständen Traghettodienst schieben. Dazu werden an bestimmten Stellen, ausgewiesen als Servizio Gondola, Fußgänger für einen Spottpreis von derzeit 50 Cent auf die andere Seite verbracht. Das Kleingeld wird achtlos auf die seitliche Brüstung des Boots abgelegt — Peanuts. Wölfe und Ziegen werden nicht befördert, Kohlköpfe wohl schon. Hier wird nicht nachverhandelt für zusätzliche Extratouren, hier singt kein süditalienischer Tenorimport Video link: , das Ziel ist klar und gegenüber. Die Fahrt dauert nur wenige Minuten, man steht bisweilen dichtgedrängt und wird angewiesen, sich gleichmäßig zu verteilen, um nicht ins Kentern zu geraten. Gerudert wird wie immer im Stehen, hier von zwei Mann. Der Kanal hat ordentlich Betrieb, alle möglichen Transportboote, Taxen, Vaporetti drängeln sich vorbei, dabei lässt das aufgewühlte Wasser die doch recht fragilen Gondeln schaukeln wie kleine Nussschalen. Vielleicht nicht der Höhepunkt der Hochzeitsreise, aber immerhin. Hier kann man: –S.Maria del Giglio(Salute) –Rio San Tomà –San Samuele –Rialto Mercado –San Marcuelo Es gibt noch zwei, drei weitere Anleger, die fallen mir gerade nicht ein. Um 19 Uhr ist Schluss.