Das erste Review zum Café Herta habe ich schon vor langer Zeit entdeckt und hatte ewig vor, dort einmal hinzufahren. Endlich hats einmal gepaßt und ich konnte mit Begleitung, die sich ebenfalls an der Entdeckung solcher Kleinode freut, den langen Weg nach Simmering antreten. «Es hat sich gelohnt!», das dachten wir uns schon wenige Minuten, nachdem wir den Vorhang zur Seite geschoben und eingetreten waren. Die Zeit in dem Lokal ist einfach so etwas von stillgestanden, daß man fast glauben möge, man wäre in den siebziger Jahren. Wenn wer das altersschwache Radio aufdreht, läuft Musik aus den Siebzigern. Das durch Hintergrundlampen beleuchtete«Espresso”-Schild hinter der Budel ist wahrscheinlich noch älter. Im ca. 80m großen Lokal dienen genau fünf Lampen zur Beleuchtung: zwei hinter den Vorhängen und drei farbige Lampions vor der Budel. Und eine Lichterkette auf einem Bäumchen. Aja, Fernseher gibts keinen. Und Handy hab ich auch keines gesehen. Im Lokal stehen Tische mit Holzsesseln und einige Kojen mit Lederbänken. Genau ein Tisch war belegt, aber mit ca. 15 Stammgästen, die bereits lautstark in ein Gespräch vertieft waren. Von Herta, der Wirtin, wurden wir nett begrüßt und zum Hinsetzen aufgefordert. Gesagt, getan, und das Bier — die Frage«mit oder ohne Glas» kann als pro forma betrachtet werden — kam auch sofort bzw. man wurde gebeten, es sich doch selbst an der Bar zu holen. Die anderen Gäste konsumierten fleißig, Rechnungen über 30 Euro(obwohl die Preise sehr fair sind) waren keine Seltenheit und wurden von Herta in regelmäßigen Abständen lautstark und unter viel Diskussion mit den Schuldnern aufgestellt. Das Allerallergenialste waren aber die Konversationen der Leute am Stammtisch neben uns und vor allem die regelmäßigen Einwürfe der mehr als resoluten Wirtin, die meist bei den Gästen dabeisaß. Wir haben an dem Abend unseren wienerischen Wortschatz deutlich erweitert und nicht nur ein Mal ob der gefallenen Ausdrücke ungläubig geschaut. Alltagsgeschichten werden fad, wenn man den Gesprächen im Café Herta lauscht. Wer also noch einmal einen etwas(!) rauheren Umgangston und ein seit Jahrzehnten wohl unverändertes Lokal erleben will, möge sich schleunigst nach Simmering bemühen und die beiden Original Café und Herta besuchen. Für immer«Sperrstund’» ist nämlich nach 90 Jahren Betrieb leider schon Ende November 2012.
Stefanie S.
Rating des Ortes: 5 Wien, Österreich
Man kann sagen, was man will, der 11. Bezirk ist einfach nicht leiwand. Er hat meiner Meinung genau drei Dinge zu bieten, den Boesner, den Friedhof der Namenlosen und das Café Herta. Ja tatsächlich, in einer Gegend in der man McDonalds für das kulturelle Highlight hält, versteckt sich ein kleines geheimes Juwel auf der Simmeringer Hauptstraße. Das legendäre Café Herta. Durch einen schweren Vorhang, der wie eine Zeitmaschine funktioniert, betritt man das alte Lokal und taucht in eine andere Welt. Herta, die nicht mehr allzu junge Wirtin, ist unvergesslich und sehr energisch, wie eine Wirtin sein soll. Man kann sich wunderbar nachts in eine dunkle Ecke setzen und an den karg beleuchteten Tischen vor sich ein melancholisches Schauspiel beobachten, die Akustik ist auch sehr speziell. Kennengelernt habe ich es durch einen Freund, der in der Gegend aufgewachsen ist und dem es mit seinen Freunden als einziger Zufluchtsort gedient hat. Sogar eine junge Simmeringer Band hat sich nach dem Lokal benannt. Ein Besuch lässt sich übrigens wunderbar mit einem vorhergehenden Ausflug des Friedhofs der Namenlosen verbinden.