Maria vom Siege

«Betty, wos isn des fia a Kirchn?» «Puh. du frogst mi Sochn. keine Ahnung ehrlich gsogt»
Mein Besuch aus der Heimat fragte mich eigentlich nur, um zu testen, ob ich stadtmäßig schon was drauf hab — na ja, in diesem Fall leider nicht.
Was meine Freundin jedoch nicht erwartete: Der Taxifahrer, von dem wir uns gerade zum Westbahnhof chauffieren ließen, begann nach dieser Frage wie ein Wasserfall zu reden. Ich muss zugeben, dass er sich anscheinend wirklich gut auskannte, aber der Name der Kirche hätte gereicht. Er schwafelte dann von den verschiedensten Baustilen und sonstigem Wirrwarr — ich weiß, wir waren ja eh schon fast am Westbahnhof, aber (scheinbar) unzählige rote Ampeln und viel Verkehr bewirkten, dass dieser Herr für diese kurze Strecke noch ziiiemlich lange auf uns einreden konnte.
An dieses irgendwie witzige Erlebnis denke ich manchmal, wenn ich hier vorbeifahre. Die Kirche selbst kenne ich (leider?) nur von außen, aber ich finde, sie hat irgendwas. Irgendwas Besonderes.

Diese Kirche ist wohl besser unter dem Namen «Jesus-​liebt-​dich-​Kirche» bekannt. Ein großes Plakat mit der Aufschrift «Es gibt einen, der dich liebt: Jesus Christus» ziert normalerweise die Kirchenmauer beziehungsweise seit den Umbauarbeiten das Gerüst. Doch das Plakat wurde gewaltsam vor ein paar Tagen heruntergeschnitten.
Die Kirche zählt zu einem Baujuwel, das vom Architekten Friedrich von Schmidt erbaut wurde und wird heute vom Kalasantinerorden geführt.
Außen hui, innen … auch. Obwohl ich nicht katholisch bin, ist diese Kirche wirklich schön anzusehn. Ein Blick ins Innere schadet auch nicht, da man hier die volle Pracht der Kuppel aus einer anderen Perspektive erhält und außerdem einen untypischen Kirchenbaustil erleben kann (der Grundriss ist rund).
Im Herbst, Winter und Frühling schlafen vor der Kirchentür obdachlose Menschen. Im Sommer zieht die Kirche auch Touristen an, die dann ganz enttäuscht wieder abziehen, weil es dann doch nicht die Karlskirche oder der Stephansdom war.