Uhrenmuseum

Im zarten Alter von etwa zehn Jahren habe ich meine Mutter so lange sekkiert, bis sie endlich mit mir in das Uhrenmuseum gegangen ist. Meist hatte sie ja keine Zeit und mein Vater auch nicht, also machten wir uns auf den (heute gar nicht mehr so) weiten Weg von der Esslinggasse beim Ringturm über die Wipplingerstraße den Platz Am Hof bis hin zum Schulhof, wo sich das Uhrenmuseum befindet. Und wir waren nicht enttäuscht: Auf drei Etagen werden hierungefähr tausend Uhren seit dem 15. Jahrhundert gezeigt. Eine der ältesten Ist das Turmuhrwerk des Stephansdomes von Joachim Oberkircher aus dem Jahr 1699. AUch sehr viele astronomische Uhren kann man hier sehen. Auch eine Sammlung von Uhren, die der österreichischen Schriftstellerin Marie von Ebner-​Eschenbach («krambambuli») gehörten, ist hier ausgestellt. Eine Standuhr von Katharina Schratt, der Geliebten von Kaiser Franz Joseph ist hier ebenfalls zu sehen.
Hier in dieser Welt der Uhren aus verschiedensten Zeiten erlebt man so etwas wie Zeitlosigkeit. Die Zeit als gemessene Ewigkeit.

Die Zeit. Unerbittlich verfolgt sie unser kurzes Leben, arrogant wie sie ist. Sie sieht uns auf die Welt kommen. Schreien. Weinen. Hinfallen. Aufstehen. Wieder hinfallen. Unglücklich verliebt sein. Lernen. Irren. Vergessen. Alt und gebrechlich werden. Wieder hinfallen. Wieder vergessen. Wieder hinfallen. Sterben. Und was machen wir? Wir errichten ihr Denkmäler, schöner und kunstfertiger als das Paradies. Aus Bronze, aus Silber, aus Gold. Aus Porzellan und Elfenbein. Kunstvoll graviert, geätzt, bemalt. In allen Größen, Farben und Formen. Taschenuhren. Armbanduhren. Bilderuhren. Kommodenstanduhren. Sonnenuhren. Turmuhren.
Sie alle finden sich im wunderbaren Museum gleich hinter der Kirche am Hof. Die ungemein komplexe astronomische Kunstuhr des David a Sancto Cajetano aus dem 18. Jahrhundert etwa, die neben der Uhrzeit auch die Länge des Tages oder die Umlaufzeit der Planeten zeigt. Die Augsburger Monstranzuhr von 1680, die über Datum, Mondphasen und Tierkreiszeichen informiert. Oder das herrliche Turmuhrwerk von Sankt Stephan aus dem späten 17. Jahrhundert.
Seit 1921 ist das Museum im verwinkelten, frühbarocken Harfenhaus, einem der ältesten Wiens, untergebracht. Gut tausend Exponate werden gezeigt, in der Mehrheit bis heute funktionstüchtig. Und so kommt es dann, dass Kuckucksrufe, Glockengeläut und Automatenmelodien zur vollen Stunde ein vielstimmig-​hymnisches Loblied auf die ach so unbeugsame Zeit anstimmen. Die es dann, seien wir ehrlich, ja doch meist gut mit uns meint. Weil auf die unglückliche Liebe meist ja doch eine glückliche folgt. Und dem Hinfallen dann ja doch meist das Aufstehen. Und weil das Vergessen ja auch seine gute Seiten hat.
Genug der Worte. Mit eigenen Augen muss man es sehen. Doch zuvor die Bewertung. Das Uhrenmuseum ist eines der interessantesten historischen und/​oder naturwissenschaftlichen Museen Wiens, ganz ohne Zweifel. Das achtinteressanteste würde man sagen, würde man darauf angesprochen. Andere mögen anderer Meinung sein. Man selbst ist verzückt.
(Dieser Beitrag ist Teil der Serie «Wo in Wiens an Höhepunkten, Abwechslung und Vielfalt reicher Museenlandschaft finde ich die höhepunkt-​, abwechslungs– und vielfaltsreichsten historischen und/​oder naturwissenschaftlichen Museen der Stadt?». Nähere Infos und Hintergründe unter
).