Werkbundsiedlung

Im Augenblick (Anfang 2014) wird die Siedlung restauriert und beeindruckt nicht sehr. Diese Siedlungen existieren auch anderswo und bieten manchmal sogar ein Musterhaus als Museum (z. B. Ernst-​May-​Siedlung in Frankfurt am Main). Das ist viel interessanter als die Besichtigung der Häuser von außen im heutigen Zustand. Zu dieser Siedlung hier gibt es allerdings eine sehr gut gemachte Website, auf der die wichtigen Gebäude einzeln beschrieben und abgebildet sind und zu der es auch eine App gibt. Man kann sich den Ausflug in den 13. Bezirk gut sparen, wenn man stattdessen diese Website studiert.

Anlässlich der Tagung des Deutschen Werkbunds 1930 in Wien wurde die Werkbundsiedlung von 32 internationalen Architekten unter der Gesamtleitung von Josef Frank errichtet. Als Mustersiedlung sollte die Werkbundsiedlung zeigen, wie man mit vergleichsweise geringem wirtschaftlichem Aufwand auf wenig Platz ein Maximum an Wohnqualität schaffen kann.
Da die Häuser nach wie vor bewohnt werden und teilweise im Privatbesitz stehen, kann man sie in der Regel nur von der Straße aus betrachten. Es gibt aber eine umfangreiche Dokumentation (siehe Website).
Die Siedlung umfasst folgende Häuser:
Veitingergasse 71 – 117
Jagdschlossgasse 78 – 90
Jagicgasse 8 – 28
Woinovichgasse 1 – 31, 2 – 32
Engelbrechtweg 5 – 11
Sechs Häuser, die 1945 zerstört wurden, wurden später durch Neubauten ersetzt (z.B. Engelbrechtweg 4, 1950 – 53 durch Roland Rainer).
Folgende Architekten waren beteiligt:
Josef Frank
Richard Bauer
Karl A. Bieber
Otto Breuer
Anton Brenner
Josef F. Dex
Max Fellerer
Helmut Wagner-​Freynsheim
Hugo Gorge
Jacques Groag
Arthur Grünberger
Gabriel Guévrékian
Oswald Haertl
Hugo Häring
Josef Hoffmann
Clemens Holzmeister
Julius Jirasek
Ernst Lichtblau
Adolf Loos
Walter Loos
André Lurçat
Richard Neutra
Otto Niedermoser
Ernst Plischke
Gerrit Rietveld
Margarete Schütte-​Lihotzky
Walter Sobotka
Oskar Strnad
Hans Adolf Vetter
Eugen Wachberger
Josef Wenzel
Oskar Wlach
Öffentliche Verkehrsmittel:
U4 Ober St. Veit
Autobus Linie 55B oder 54B Gobergasse

Nicht ganz so erfolgreich und dennoch bedeutend die Geschichte des hiesigen Kandidaten. Auch er Produkt der Debatten um die Schaffung adäquater Wohnräume für Viele. Ein Ziel, zwei Wege, um es zu erreichen. Der eine, bis heute vorherrschend, repräsentativ ausformuliert in zahllosen Gemeindebauten des Roten Wien, der andere, nicht weniger ambitioniert, dem Schlaf des Vergessens anheimgefallen. Doch nur auf den ersten Blick. Die Rede ist vom seriell gefertigten Einzelhaus, das in ländlichen Gebieten als modernes Fertigteilhaus kürzlich erst seinen Siegeszug angetreten hat. Spät, aber doch. Im städtisch geprägten Milieu der frühen Sozialdemokratie hatte es naturgemäß keinen leichten Stand. Und hat es — aus vielerlei Gründen — bis heute nicht.
Das war nicht überall so. Sie hatte zahlreiche Anhänger, die Idee typisierter Kleinhäuser mit angeschlossenem Garten, gerade nach Ende des Ersten Weltkriegs. Und man baute sie durchaus, in den zwanziger Jahren, in Stuttgart, Brünn, Zürich, Basel, Prag und Breslau. Mit ansehnlichem Erfolg. Als der Deutsche Werkbund 1929 schließlich beschloss, seine nächste Hauptversammlung in Wien abzuhalten, gab die Gemeinschaftliche Siedlungs– und Baustoffanstalt (GESIBA) den Auftrag zum Bau einer Mustersiedlung. Ihr Initiator, Josef Frank, verstand sie als Alternative zum vorherrschenden monumentalen Gemeindebau der Stadtverwaltung und bat führende Architekten der Zeit um ihre Beiträge. Otto Breuer, Oswald Haerdtl, Clemens Holzmeister, Adolf Loos, Richard Neutra, Josef Hoffmann, Ernst Plischke, Hugo Häring, Gerrit Rietveld, Ernst Lichtblau und viele andere folgten der Einladung.
So entstand in Lainz zwischen 1929 und 1932 die siebzig Objekte umfassende Werkbundsiedlung. Einfamilien-​, Doppel– und Reihenhäuser ließ man bauen, höchst unterschiedliche Entwürfe. Serielle Herstellbarkeit und größtmögliche Funktionalität einten sie. Und viele von ihnen mehr als gelungen. Josef Hofmanns Reihenhaussiedlung mit ihren hochgezogenen Treppenhäusern, begehbaren Dachterrassen und kleinen Vorgärten etwa. Die das Konzept des Raumplans einer weniger wohlhabenden Klientel zugänglich machenden Doppelhäuser des Duos Loos/​Kulka. Oder die stark von Le Corbusier beeinflussten Reihenhäuser Andrè Lucrats mit ihren zylindrischen Treppenhäusern, die sicher auffälligsten und ungewöhnlichsten der gesamten Siedlung. Im Sommer 1932 lud man schließlich zur Besichtigung. Mehrere Wochen lang. Doch trotz einer ansehnlichen Zahl von 100.000 Besuchern konnten nur vierzehn der siebzig Häuser verkauft werden. Die Gemeinde Wien übernahm die übrigen und vermietete sie. Seit 1978 steht die Anlage unter Denkmalschutz. Einer dringend nötigen Renovierung wurde kürzlich grünes Licht gegeben.
Das Ende naht und unser Arbeitgeber, ja der will Ergebnisse sehen. Wir beugen uns dem Druck und schreiten ein letztes Mal die Siegerlisten ab. Furchtlos und unerschrocken gehen wir dem Schlussstein entgegen, zwischen ihm und uns nichts als zwanzig maßgebliche Werke modernen Architekturschaffens in Wien. Unter ihnen, so muss es sein, die wunderbare Werkbundsiedlung. Noch einmal sammeln wir Sachverstand und Urteilsgabe, weisen ihr, integer und unbestechlich wie eh und je, den ganz zweifellos hochverdienten fünfzehnten Platz im Ranking zu, gratulieren herzlich und sagen Servus. Leise, wie es sein muss in Wien. Schön war’s, liebe Freunde, Kollegen, Wieneroberer, schön.
(Dieser Beitrag ist Teil der Serie «Wo in Wiens mit modernen Baukunststücken ausgiebig behübschten Straßen finde ich die beeindruckendsten, bahnbrechendsten und überhaupt maßgeblichsten Profanbauten der Moderne?». Nähere Infos und Hintergründe unter
).