La Bohème

Als ich so im zweiten Semester an der Uni war, begann ich die dortigen Realitäten so langsam zu begreifen. Die Mensa beispielsweise, ist nichts weiter als eine Verteilstelle für vollständig geschmacklosen Einheitsbrei, als auch ein Beschäftigungsprogramm für ehemalige sowjetische Söldnerinnen. Mit den Söldnerinnen ahbe ich zwar immer gut verstanden, unsere Gespräche (Sie: mit legi? Ich: ja hier!) waren von Tiefe und intensivem gegenseitigem Verständnis geprägt.
Kurzum; wer auch nur den geringsten kulinarischen Anspruch kennt, geht nach dem ersten Semester nie mehr in die Mensa. Daher ist es notwendig sich irgendwo in der Nähe was gutes aufzutun, wo man halbwegs preiswert essen kann und wenn möglich gar dabei sitzen (ohne eine Waffe benutzen zu müssen). Einer dieser Orte ist «la Boheme» auch bekannt als der «Blumenladen in dem es Sandwiches gibt». der zweite Titel nennt das Kind im Wesentlichen beim Namen; es gibt dort (wirklich gute) Sandwiches udn verspeisen kann man die in der angenehmen Atmossphäre eines Blumenladens. Allerdings ist die ganze Angelgenheit auch nicht allzu billig. Für ein Sandwich legt man sicher 10 Franken hin, dafür darf man weitgehend selbst bestimmen wo was drauf kommt, das ist meistens ein rechter Spass, manchmal auch sehr enttäuschend, denn der eifrige Sandwichbauer weiss ja meist erst im Nachhinein, wie genau die gebaute Geschmackskombination sich effektiv auf den eigenen Gaumen niederschlägt. Daher müssen die experimentierfreudigen mit Überraschungen rechnen, nicht jede Zutat schmeckt genau so wie sie ausschaut. Aber eben. no risk no fun!

Dieses Blumenlokal ist eine Querverbindung zwischen einer Blumenhandlung und einem Café. Bis zur Mittagszeit bleibt das Geschäft ruhig und im Zentrum stehen noch die abertausenden von Blüten. Zur Mittagszeit ändert der Kurs schlagartig und das Lokal beginnt sich mit hungrigen Studenten, die von der Uni und ETH hinunter strömen, zu füllen, die emsig an den Tresen eilen, um sich mit Wähe oder Sandwhich die hungrigen Bäuche vollzuschlagen. Nach dem Andrang beginnt langsam wieder Stille nach dem Sturm einzukehren. Zur späteren Nachmittagsstund finden sich dann noch die einen oder anderen Arbeits-​Pausierenden oder Damen aus der Nachbarschaft zum Tee oder Café ein und geniessen das schöné Setting und wenn die Sonne noch scheint, die Quartieridylle auf dem Platz und beobachten das sanfte Geschehen der Umgebung.

Puccinis Oper «La Bohème» spielt am Weihnachtsabend und vielleicht rührt daher der Name für den grossen Blumenladen im Kreis 6 — denn hier ist — jedenfalls dekomässig — immer etwas weihnächtelig.
Blumen gekauft habe ich aber noch nie bei La Bohème. Dafür esse ich dort häufig zu Mittag. Das Lokal wird tagsüber vom Blumenladen um ein kleines Restaurant ergänzt. An Gartenmöbeln sitzt man — etwas eng gestuhlt — zwischen Pflanzen und Sträussen. Es gibt tolle Sandwiches, die man sich — angefangen vom Brot bis zur Sauce und dem Belag — nach ganz eigenen Wünschen zusammenschustern lassen kann. Dazu kommt täglich ein kleines Menü — eine Suppe oder Salat und jeweils ein Curry oder etwas in der Art — das den Mittagshunger stillt.
Die Plätze sind beschränkt und um 12 ist es oft schon etwas voll. Deshalb rate ich zu frühem Kommen oder auch mal etwas später (ab 13h). Dann lässt es sich wunderbar drinnen sitzen und man kann sich das Essen so richtig schmecken lassen, während man zwischen herrlich drapierten Blumenbouquets sitzt.