Ostseestrand bei Barendorf

Wenn man von Hamburg an die Ostsee will, ist der westliche Teil der Lübecker Bucht die schnellste Option, da eine Autobahn quasi bis ans Wasser führt (Neustadt, Scharbeutz, Timmendorf). Wer aber eine halbe Stunde mehr investieren kann, sollte definitiv den Küstenstrich aufsuchen, der östlich der Travemündung beginnt und auf ehemaligem DDR-​Gebiet liegt. Während im Westen hinter Dünen und Strand sofort eine meist hässliche Bebauung aus 1960er oder 1970er Jahren beginnt, laute Straßen parallel zum Wasser führen und Parkplätze 20 Meter von den Wellen entfernt bereit stehen, ist das Meer im Osten von der Zivilisation meist eher separiert. Nur wenige Ortschaften wurden direkt am Meer errichtet, die meisten sind kleine Dörfer, die einen oder zwei Kilometer im Hinterland liegen, gut geschützt und mit dem Strand nur über schmale Wege verbunden, die meist nur kurzstreckig befahrbar sind. Hier sieht man noch alte Alleen und freut sich über Reste des schönen alten Straßenpflasters, egal, wie sehr es ruckelt
Was unkomfortabel wirkt, bietet einen unvergleichlichen Vorteil. Man durchwandert wie hier in Barendorf — einen Kilometer lieblicher Hügel mit Weiden oder großen Äckern, kreuzt einen kleinen plätschernden Bach, durchquert dann einen Waldgürtel, bevor man ohne Autolärm und hässliche Betonklötze über strahlend weiße Sanddünen an den ebenso weißen breiten Strand gelangt, der sich schier endlos erstreckt. Dünen und in der Ferne ein wenig Steilküste begrenzen das Sandband. In der Sonne wirkt alles unvorstellbar lieblich und: man sollte an einem Werktag im April hierher kommen. Der Strand ist auf viele Kilometer hin absolut leer. Man könnte hier nackt herumspringen und die Frühlingssonne verleitet mich fast dazu, die Hosen hochzukrempeln und durchs kalte aber völlig klare Wasser zu waten. Der Sand ist so fein, dass ich ihn mir immer wieder durch die Hände gleiten lasse um das Gefühl auf der Haut zu genießen, das so sehr an sonnige Dünentage in Dänemark erinnert, in meiner Kindheit Das Wasser ist bei Windstille absolut ruhig, fast wie auf einem karelischen Binnensee, zwei junge Schwäné dümpeln gründelnd am Spülsaum und genießen die Ruhe ebenso wie wir.
Wir wandern am Spülsaum, blicken mal zum Horizont, wo Fährschiffe ihre Bahnen ziehen und sich die hässlichen Betonbauten von Travemünde und Timmendorf abzeichnen und freuen uns unbändig darüber hier auf der einsamen Insel zu sein, frei von Zivilisation und mitten in der unberührten Natur! Der Spülsaum ist voll mit Sandklaffmuscheln und ein kleiner Bernstein ist auch dabei, er glitzert in der Sonne und war nur schwer von all den abgeschliffenen Scherben von braunen Bierflaschen zu unterscheiden. Eine kleine Trophäe, die an diesen phantastischen Sonnentag erinnern wird, ebenso wie ein paar Mondkiesel.
Mühsam kommt man im Sand voran, aber jeder Schritt ist die Anstrengung wert. Man will immer noch um eine Biegung der Küste herum gehen, obwohl da dann sowieso wieder die nächsten Küstenkrümmung winkt, der Strand ist eben endlos hier. Irgendwann geben wir auf und setzen uns einfach an die Dünen unter weiß blühende Schlehen und sprießenden Sanddorn, die hier ein fröhliches Gestrüpp formen. Im Sitzen wird alles noch ruhiger, der Blick geht noch weiter, Schläfrigkeit stellt sich ein, ich schließe die Augen und beschließe einfach hier zu bleiben, am Strand, ohne Menschen drum herum, man müsste hier wohnen jedenfalls wenn die Sonne scheint. Die graue Wolke, die sich solitär vor selbige schiebt beendet die Rast, jetzt spüre ich den Wind, der auch beginnt die gerade noch ruhige See zu kräuseln. Die mittlerweile ein wenig höher am Strand nagt. Zeit zur Rückkehr, zum Glück haben wir eine Markierung am Strand hinterlassen, denn sonst wäre4 es schwierig unsere Aufbruchsstelle und den Dünenübergang von hier unten wieder zu erkennen
Angenehm müde macht die Seeluft. In Barendorf finden sich allerdings keine rechten Einkehrmöglichkeiten, so dass wir ins Schloss nach Groß Schwansee weiter fahren, immer noch berauscht von Meer und Sand.