Hôtel Hibiscus

Für dieses Hotel sollte es negative Sterne geben!
Aber der Reihe nach. :)
Ich hatte eine Reise von London nach Marseille vor und wollte in Paris übernachten. Da ich in Paris erst spät Abends ankommen sollte, wählte ich trotz meiner Erfahrung eine so genannte «Abtsteige» für ca. 60,00 Euro und buchte im Internet. Das Hotel war in der Nähe des Abfahrtsbahnhofs und die Gegend kannte ich auch schon ein wenig, daher viel mit die Entscheidung leicht. Ich war auch schon auf Einiges vorbereitet, doch das Zimmer sprengte alle Erwartungen, und so kommt Ihr nun in den Genuss dieses Schreibens.
In Erwartung eines schäbigen zerfallenen Hauses in einer dunklen Seitenstraße lief ich zunächst am Hotel vorbei. Sollte ich mich doch vom Vorurteil habe benebeln lassen? Ich lief die Straße zurück, und da stand es: Ein schönes Altbauhotel mit dem Charme des letzten Jahrhunderts. Wie eine alte, aber doch vornehme Pariser Dame, bat es mich näher zu kommen. Tatsächlich, es empfing mich mit großen Fenstern und frischer Farbe und eine offene Tür, durch die kein Gestank aus exotischen Gewürzen an die Straße drang, erfreute mich. Es war innen selbst um diese späte Stunde hell und freundlich, und zahllose Prospekte, Flyer und Torustenbroschüren vermittelten einen Hauch von Seriosität. Ich trat ein. Und war allein. Die Stühle des offensichtlich gelegentlich als Bistro genutzten Empfangsraumes schauten mich ordentlich zusammengerückt an. Ich erinnerte mich plötzlich an die so leichtfertig überlesene Notiz im Kleingedrucktem der Buchungsbestätigung: Rezeption von 8.00 bis 20.00 Uhr besetzt. Doch ein mit Kinderschrift bemalter Zettel weckte meine Aufmerksamkeit. «Bitte klingeln wenn nicht besetzt» schien da ein geschädigtes Kind auf französisch hinterlassen zu haben. Ich vermutete mit dem Mund oder den Füßen geschrieben. Ich kramte meine Erinnerung an die letzten Schuljahre Französisch heraus und versuchte zu erraten welcher Knopf wohl die Klingel war. Ich probierte die logischste Variante aus, und ein kaum wahrnehmbarer Gong schien in der Döner-​Bude nebenan zu erklingen. Verwundert drehte ich mich in die Richtung des Geräusches und sah wie Ahmed freundlich lächelnd durch die wohl immer offen stehende Tür hereinkam: «Bön soir, Monsieur!»
Der grau-​braune Anzug schien auch schon bessere Jahre gesehen zu haben, das goldene Namenschild bemühte sich auf dem abgewetzten Sakko zu funkeln. Ich kramte meinen Ausdruck mit der Reservierung heraus, um dem armen Kerl das Buchstabieren meines Namens zu ersparen. Er schaute kurz drauf, fand mich mit einer nickenden Geste im Buch, und reichte mir immer noch freundlich lächelnd eine gelochte Plastikkarte. «Oha», dachte ich, «kein rostiger Schlüssel an einem Holzpflock baumelnd, wie bei der letzen Absteige?» Ich hab mich wohl wirklich geirrt. Er schien hoch erfreut, dass ich in französischen Brocken, ohne jeglichen Ansatz von Grammatik, Konversation betreiben konnte, und überschüttete mich nun mit Informationen. Das Frühstück wird bis 9.30 hier im Empfangsraum serviert, und er zeigte auf die Stuhlreihen. Mit 7,00 Euro erschien es mir wie ein Schnäppchen. Alles schien zu klappen. Selbst die Stornierung der Buchung vom Vortag, die laut Webseite nicht möglich war, stellte er mir in Aussicht. «Streik in Belgien? Reise um einen Tag verschoben? Egal Monsieur, keine Stornogebühr.» Ich bereute schon dass ich solche Vorurteile gegen französische Absteigen hatte. Ahmed zeigte zur Treppe, hob den Finger und empfahl «Zimmer 24, ist zweite Etage». Ich nahm die Karte und ging zu der nur drei Schritte entfernten Treppe.
Ich griff das Holzgeländer mit Schwung und das Geländer antwortete sogleich mit einem deutlichen Nachgeben. Hoppla. Meinen Élan zügelte gleich aber auch die enge Kurve — es ging nämlich nach drei schmalen aber hohen Stufen im 180 Grad Winkel um die Ecke. Né schöné Hühnerleiter, dachte ich mir, und wunderte mich wie wohl dicke Leute mit schweren und breiten Koffern hier hochkommen sollten. Und wie hat man hier wohl die Möbel hochgebracht? Nach weiteren neun oder zehn hohen Stufen war ich bereits in der ersten Etage. Das Treppenhaus war ja kleiner wie das zu meiner Wohnung. Trotzdem waren vier nummerierte Türen vorhanden, alle nur eine Handbreit voneinander entfernt. Soso, grinste ich, pro Etage nur vier Zimmer? Ich ging weiter und dachte dabei, wie viel Spass der deutsche TÜV mit diesem Pappmaschee-​Geländer haben könnte. Die Tapeten schienen von einer Horde Kindergartenbengel bemalt worden zu sein. Obwohl, die komischen Muster gingen bis an die Decke, das wird wohl so sein hier. Nun ja.
Ich schritt weiter voran, und war nun in der zweiten Etage. Die Türen waren alle wohl schon vor dem Krieg das letzte mal gestrichen worden. Vielleicht sogar den 1870er Krieg. Die Farbe hatte große Risse und wohl auch unreine Haut, denn lauter kleine Bläschen schienen aufzuplatzen. Bloß nicht zu viel nachdenken was da wohl drunter wächst, dachte ich mir. Karte in das Schloss und rein ins Zimmer. Ich betrat