Arsène le Marrec

Achtung, langer Text über bretonische Hunde und Lambic!
Kurzfassung: Sehr gut ausgestattetes Haus sehr nah am Meer (ca. 15 Minuten zu Fuß). Der Strand ist übrigens wunderschön, genauso wie der Rest der Umgebung. Schon dafür allein lohnt es, sich dort einzuquartieren!
Für Geduldige:
Gerade musste ich sehr intensiv an einen Sommerurlaub in der Bretagne denken. Vielleicht, weil es jetzt langsam kalt wird und die Sonne sich fast überhaupt nicht mehr blicken lässt.
Ein Ferienhaus in Ty-​Hamp (Pays du Ménez Hom Atlantique) mit Blick aufs Meer vom Fenster im 1. Stock. Eine sehr gute Übung für die Halsmuskulatur :)
Unser Vermieter war ein sehr gesprächiger Rentner, der noch dazu Tür an Tür mit uns wohnte und manchmal sehr misstrauisch über die Hecke schaute, wenn wir mal wieder unsere Grillkünste an den Merguez– und den Chipolata-​Würsten ausprobierten. Die Rauchfahne war jedenfalls nicht zu übersehen…
Da ich des Französischen ziemlich mächtig bin, hatte er mich bald als Opfer auserwählt, um mir endlose Geschichten über die Bretagne, seine Tochter mit den Pferden, seinen Hund, seine anderen Mieter und das Leben an sich zu erzählen. Egal, ob ich gerade mit Bratpfanne in der Hand, einem halben aufgeschlagenen Ei in der anderen und zerrauften Haaren die Tür geöffnet hatte — Mr Arsèné le Marrec hatte alle Zeit der Welt!
Zum guten Ton gehörte es auch, dass er uns zu einem ordentlichen Aperitiv zu sich nach nebenan einlud. Mein Hausherr hatte schon Tage vorher Magenschmerzen, denn er spricht kein Wort Französisch und er wusste nur zu gut, was da an «interessanten» Momenten auf ihn zu kommen würde.
Wir klingelten also brav bei den Marrecs und wurden sofort ins Wohnzimmer geleitet, wo auf dem Wohnzimmertisch bereits diverse sehr alkoholisch aussehende Flaschen auf uns warteten. Dazu gab es ca. 20 verschiedenen Sorten Knabbereien in riesigen, geöffneten Schachteln, so dass wir fast dachten, er hätte noch ein paar Nachbarn dazu geladen. Was blieb uns übrig als zu trinken. Und zu trinken. Und zu trinken. Der Hausherr hatte bald ein Stadium der Trunkenheit erreicht, was ihn fröhlich grinsen ließ, obwohl die tiefschürfenden Inhalte der Monologe von Arsèné komplett an ihm vorbei gingen.
Ich hingegen wurde nicht nur immer betrunkener, nein, ich musste auch noch an den richtigen Stellen Grunzlaute von mir geben, um zu signalisieren, dass ich natürlich ganz seiner Meinung sei. Eigentlich klappte das ganz gut, bis ich plötzlich mitten im Grunzen alarmiert aufhorchte. Arsèné hatte gerade von seinem Hund erzählt. Ein treues Tier, das er bis ins hohe Alter gehabt hatte und dann mit ihm zum Tierarzt musste.
«Stellen Sie sich mal vor, das arme Ding. Ich sehe Tutu noch vor mir wie ich so in den Rückspiegel blicke, seine treuen braunen Augen sehe und höre wie er vor Schmerz winselt», «das war schon furchtbar.» Auch ich beginne die Szene vor mir zu sehen und merke erschrocken, wie ich vom Alkohol enthemmt beginne, gegen die Tränen zu kämpfen.
Mühsam stoße ich hervor: «und was war dann, ging alles gut, Arsèné, ging alles gut???». Tonlos erzählte Arsèné, dass der Tierarzt nichts mehr für ihn tun konnte und ihn einschläfern musste. «Ich habe auf der Rückfahrt so geweint, beim Blick in den Rückspiegel sah ich sein altes Hundehalsband auf der Ablage, aber nicht Tutu und die ganze Rückfahrt musste ich schluchzen… so ein gutes Tier!»
Das war’s, der Lambic de Bretagne (aus Äpfeln hergestellter, sehr wohlschmeckender Schnaps) hatte mich umgehauen. Hemmungslos heulte ich wie ein Schloßhund (ha! Hund!) und sah treue, braune Hundeaugen vor mir. Mein Hausherr unterbrach sein Grinsen und fragte mich verstört, was denn passiert sei. Arsèné sah mich auch sehr merkwürdig an und fragte, ob ich noch etwas trinken wolle. Alles bloß das nicht, dachte ich und lehnte dankend ab.
«Mme Fischer, ich habe etwas oben, was ich Ihnen zeigen muss. ich habe mein Tier so geliebt, dass ich es nicht übers Herz gebracht habe, ihn einfach so begraben zu lassen. Nein, ich habe ihn ausstopfen lassen und sehe ihn so jeden Tag, wenn ich am Schreibtisch sitze.»
Aaaaaah, die Vorstellung, gleich mit einem ausgestopften 30-​Kilo-​Hund beim Apéritif konfrontiert zu werden, war mir alles andere als angenehm und so nahm ich doch noch einen langen Zug aus dem mit Lambic gefüllten Glas. In schnellen gehetzten Sätzen versuchte ich, dem Hausherrn zu erklären, was da gleich zu den Erdnussflips gestellt werden würde und auch er wurde bleich.
Arsèné kannte keine Gnade, er sprang auf, rannte die Treppe rauf. Nach einem kurzen Geraschel hastete er auch schon wieder runter und stellte eine Urne auf den Tisch.
Mein Französisch hatte nicht gereicht, um den Unterschied zwischen einäschern und ausstopfen zu verstehen. Ich gebe zu, wir waren ziemlich erleichtert. Ich schnäuzte mich lautstark und lallte dann, dass wir nun wirklich gehen müssten, denn das hätte uns doch alles sehr mitgenommen und tatsächlich ließ uns Arsèné verständnisvoll nach nebenan