Schottentor-Passage

An der Schottentor — Passage komme ich fast täglich vorbei. Hier ist die Endstation aller drei Straßenbahnen die sozusagen vor meiner Tür fahren. Als Student an der Hauptuni ist das auch meine Station wenn ich zu Vorlesungen muss. Jedes Semester heißt es auch wieder anstellen beim Vorverkaufsschalter in der Schottentor — Passage und ein guter Treffpunkt ist es auch, weil die meisten Leute es kennen.
Ja, ja hier ist ganz schön was los. Alleine die fünf Straßenbahnen die hier fahren verursachen eine Menschenmenge, geschweige denn die Schlange bei der Kaffeeküche, beim Anker, Mann oder Tabak.
Obwohl die Schottentor– Passage noch sehr ausbaufähig ist und man sie viel freundlicher gestalten könnte, hat sich in den letzten Jahren dieser Ort zum positiven verändert. Vor allem durch die Kaffeeküche die mir meinen Koffeinspiegel in der richtigen Höhe hält.
Ein kleiner Tipp schaut mal während der Erdbeerzeit hier vorbei, hier gibt es einen Stand von Bauern die leckere Erdbeeren verkaufen.

Nein, schön ist sie wirklich nicht, die Passage am Schottentor. Aber sie hat halt doch ihren eigenen Charme. Als Treff– und Knotenpunkt von Studierenden diverser Universitäten und Fakultäten sieht man hier hippieeske Ethnologiestudenten neben versnobbten Jus-​Leuten auf die Ubahn warten, dazwischen tummeln sich allerlei Pendler, Obdachlose, Augustin-​Verkäufer, Fundraiser und Flyer-​Verteiler, allerhand los also. Besonders zu den Stoßzeiten wird das Gewurl hier ziemlich unangenehm.
Wer’s eilig hat, in die Vorlesung zu kommen und noch schnell einen Snack (oder, wie in meinem Fall häufig, ein schnelles Frühstück) braucht, der hat hier die freie Auswahl: Kokosschnecke beim Mann oder doch lieber eine Schoko-​Vanille-​Krone beim Anker? Oer ein Topfenstangerl bei diesem namenlosen Bäcker oben, eine Wurstsemmel vom Radatz? Oder ein guter Kaffee aus der Kaffeeküche? Nicht einfach sich da zu entscheiden.

Hier rennen viele Studenten durch. Große Studenten, kleine Studenten, reiche Studenten, arme Studenten, schirche, schöné, schwarze, weiße. Wer sich gerne Studenten anschaut, sollte sich ein Bankerl reservieren.
Ansonsten gibts eine gute Auswahl an Snacks.
Jeder Verkehrsnotenpunkt, zieht ja auch irgendwie Sandler, Schnorrer oder ähnliche soziale Außenseiter an. Was ich am Schottentor interessant finde: Hier findet man kaum Leute, die ihr Tetrapack Wein in einer geselligen Runde trinken, sondern vor allem Einzelgänger.
Der grantige Gitarrist sitzt hier meistens allein herum, dann gehen oft auch ein paar verwahrloste Pychotiker selbstgesprächführend allein im Kreis, von denen man manchmal verleitet ist, zu glauben es wäre derselbe, aber wenn man genau hinsieht, bemerkt man, dass es ca. drei verschiedene sind.
Außerdem gibt es den kleinen, dicken, freundlichen, geldschnorrenden Typen mit der Haube, den ich auch schon seit 10 Jahren dasselbe tun sehe.
Warum das Schottentor gerade die Exzentriker unter jenen anzieht, frage ich mich schon seit Jahren.
Vielleicht schauen sie sich gerne Studenten an?

Die Schottentor-​Passage, mein täglicher Begleiter.
Als ich ein Kind war und meine ältere Cousine an der Uni Wien studiert hat, hat sie mich mal an die Uni mitgenommen, damit ich mal sehe wie es in ihrer «Schule» so ist.
10 Jahre später bin ich hier jeden Tag zu finden. Denn ich selbst studiere jetzt an dieser «Schule». Und muss jeden Tag von der U2 durch die Passage durch, rauf ans tageslicht.
Obwohl hier wirklich viele unheimliche Gestalten herumlaufen, man ab und zu blöd angemacht wird und es am Abend etwas unheimlich ist, finde ich die Passage toll. Hier finde ich immer etwas zum Essen, es wird frisches Obst verkauft, man kann sich frischen Kaffee oder Brötchen holen während man auf eine der unzähligen Straßenbahnen wartet, die hier ihre Endstation haben. Ich finde es super dass hier sowohl eine U-​Bahn als auch unzählige Straßenbahnen in der Passage stehenbleiben, oberhalb der Passage noch 4 weitere Straßenbahnlinien fahren.
Einfach ein wichtiger Umschlagpunkt in Wien, von dem aus man in alle Richtungen Wiens kommt.

«Hello, my friend. How are you?»
Der kultiviert-​freundliche Verkäufer der Obdachlosenzeitung «Augustin» beginnt Gespräche mit klassischem Smalltalk-​Entrée. Und einem freudigen Handschlag.
«Der neue Augustin ist ganz neu und sooooo supa — die beste Zeitung mit den besten Texten für den Abend!»
Sein Kollege ist etwas direkter und gänzlich überzeugt vom Produkt, das er an die Frau und den Mann bringen möchte. Und erfolgreich im Einsammeln von Lächeln.
«Haben Sie vielleicht ein paar Cent einstecken?»
Der Mann für intellektuelle Gespräche zwischen Politik und Philosophie, der immer ganz plötzlich wie aus dem Nichts neben einem auftaucht.
«Geh, kannst du mir bitte ein, zwei Euros geben? Geht vielleicht ausnahmsweise noch ein dritter? Weil aller guten Dinge sind drei. Vielleicht kannst du mir beweisen, dass du anders bist als die anderen.»
Der jüngere Herr mit dem etwas leidigen Tonfall hat die Hoffnung auf das Gute im Menschen noch nicht verloren. Und macht sich täglich auf die Suche danach.
Dies ist nur eine kleine Auswahl der Personen, die dem Franz-​Jonas-​Reindl (wie das Schottentor im Wiener Volksmund genannt wird) ihren eigenen, persönlichen Stempel aufgedrückt haben.
Am Verkehrsknotenpunkt, wo sich 9 Straßenbahnen, 2 Autobusse und eine U-​Bahn-​Linie treffen, hat der Wartende es entweder sehr eilig oder er hat massenhaft Zeit. Letzteres lässt sich dann mit der Lektüre der angesprochenen Zeitung oder mit einem Gespräch mit einem der Schottentor-​Originale überbrücken.

Für viele ist die Schottentor-​Passage eine tägliche Station auf dem Weg in die Uni — nur leider keine sehr schöné. Doch nach einer Zeit lernt man die hässlichen Dinge auszublenden und sich auf die Lichtblickt zu konzentrieren. Einer davon ist auf jeden Fall die Kaffeeküche, die schon vielen den Morgen mit dem besten Milchkaffee der Welt gerettet hat. Aber von der Kaffeeküche habe ich ja schon in einem eigenen Bericht genug geschwärmt. Den Obststand daneben gibt es noch nicht so lange — aber auf dem Heimweg in der Straßenbahn noch so eine eben dort gekauft Himbeerschale zu futtern ist immer eine gute Idee. Auch sonst gibt es in der Passage alles was man so braucht: Metzger, Bäcker, Dönerläden, Zeitschriften, Tabak, sogar Sushi findet man hier! Achja, und natürlich den Geldautomat, der irgendwie immer nur 50 oder 100 Euro Scheine hat.
Darüber hinaus gibt es am Schottentor so ein paar typische Gesichter, die man nach einer Weile richtig lieb gewinnt. Zum Beispiel der Augustin-​Verkäufer, der morgens schon lauthals und mit Freude (!) seine Zeitung bewirbt und der abends dann mit selber Hingabe und guter Laune immer noch da steht. Oder der Obdachlose wenn man die Rolltreppe zur Uni hochfährt — ein Schwätzchen mit ihm auf dem Weg zur Uni gehört genauso zum täglichen Ritual wie der Kaffee aus der Kaffeeküche. Was leider auch dazu gehört, aber von mir eher weniger geschätzt wird, sind die vielen vielen Flyeranten direkt oben an der Rolltreppe — wenn man nicht hartnäckig bleibt kommt man dann schon mit Taschen voller Werbung in der Uni an.