Stolperstein

Eine passendere Bezeichnung konnte man wohl kaum finden, denn jeder kennt wohl diese Momente in denen man im wahrsten Sinne des Wortes über die goldenen im Boden eingelassenen «Steine» stolpert und aus den Alltagsgedanken oder manchmal auch aus der besten Partystimmung gerissen wird. Meist empfindet man dann Mitleid oder Unverständnis, hin und wieder verfällt man in eine tiefe Trauer. Manchmal ist man aber auch einfach nur sauer. Sauer darauf, dass man doch gerade eben noch so gute Laune hatte und man wegen den unverständlichen und schrecklichen Taten von Anderen so heruntergezogen wird. Und auch wenn man dann manchmal fast schon über einen selbst schockiert ist, sind wohl auch solche Gedanken wichtig und auch ein Teil des Sinns der Stolpersteine.
Schließlich sollen sie ja Emotionen hervorrufen und uns die traurige Vergangenheit nicht vergessen lassen. Ich finde die Stolpersteine einen sinnvollen Weg um auch im Alltag den vielen deportierten Frauen, Männern und Kinder zu gedenken.

Das flächenmäßig größte Museum der Stadt ist in der Stadt verteilt. Von den meisten Passanten wahrscheinlich gar nicht bemerkt, können die Gräueltaten der österreichischen Bevölkerung an die jüdische Gemeinde während dem Nationalsozialistischen Régime anhand von Stolpersteinen gesehen werden. Seit knapp 20 Jahren hat ein Umdenken in den Köpfen der österreichischen Bevölkerung stattgefunden, nämlich weg vom Opfermythos hin zum Schuldeingeständnis. Es steht außer Frage, ob Österreich wirklich ein Verbündeter von Nazideutschland war. Österreich war es, und Österreich wollte es!!!
Die Stolpersteine zeigen nun in welchen Häusern wie viele männliche und weibliche Juden gewohnt haben, die Opfer des NS-​Regimes wurden. Speziell im zweiten Bezirk war die jüdische Gemeinde vor 1938 sehr groß. Dementsprechend lassen sich auch die meisten Stolpersteine in der Leopoldstadt wieder finden. Und für mich persönlich verspüre ich ein jedes Mal, wenn ein solcher erblickt wird, einen grausigen Schauer über den Rücken gleiten, denn das systematische Bespitzeln, Verfolgen, Vertreiben und Ermorden einer Minderheit kommt dadurch zum Vorschein. Und auch wenn heutzutage Fragen wie Migration und Integration wieder heftigst diskutiert werden, gibt es keine Alternative als ein Miteinander. Denn weil es einmal eine Alternative gegeben hat, gibt es heute Stolpersteine.

Ich denke, diese Steine werden im Gehsteig eingelassen, um Probleme mit Hausbesitzern zu vermeiden, die solche kleinen Metalltafeln an ihren Häusern nicht dulden würden. Jetzt muss man hinabblicken und sich quasi verbeugen vor den Namen der Deportierten.
Anfangs nur auf einer Strasse im 2. Bezirk, hat sich diese Initiative in ganz Wien ausgebreitet. Nun findet man vor erschreckend vielen Häusern dieser Stadt jene kleinen Schilder, auf denen die Namen derer stehen, die damals in diesem Haus gewohnt haben und wann und wohin sie im Holocaust deportiert wurden.
Ich fand dieses Projekt immer sehr gut, fand es wichtig, dass es «den Leuten» so aufgedrückt wird, dass auch dieser Teil Geschichte, dem so viele aus dem Weg gehen wollen, noch überall in dieser Stadt lebt. Ich war total dafür, und hätt die metallenen Ziegel gegen jeden der Raunzer verteidigt. Bis dann vor unserem Haus so ein Ziegel auftauchte.
Morgens stemmten sie noch den Gehsteig auf, abends beim Heimkommen wusste ich, dass 17 Menschen aus unserem Haus umgebracht worden sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass einige davon in unserer Wohnung gewohnt haben liegt damit bei etwa 80%. Mir ist richtig schlecht und schwindelig geworden und es hat mich total mitgenommen. Aber das ist wohl auch gut so.
Ich dachte immer, das bringt endlich auch jene zum Denken, die nie darüber nachdenken möchten, und plötzlich steh ich selbst vor unserem eigenen Stein und fühl mich grauenhaft hilflos. Diese Initiative macht Geschichte nicht nur lern– sondern auch fühlbar.