Wanderung zum St Aldhelm’s Head

Englisches Tagebuch IV
Ich hatte in einer kleinen Siedlung am Rande Worth Matravers’ auf der Isle of Purbeck geparkt und bin den vorfreudigen Weg hinunter zur See gewandert, zu einer kleinen felsigen und etwas unheimlichen Bucht, die von uralten Quarries, von Steinbrüchen umgeben ist. Bevor ich mich zum Coastal Footpath hinauf, Britannien fast gänzlich umarmenden Küstenwanderweg, auf die Steilküste schwingen wollte, sah ich die Quarries mir noch an. Ein großer Platz am Kliff, in dem die Ruinen von alten Abbauarbeiterhäusern, sowie Stein und Geröll überall herumlagen, ganz weit oben gingen ein paar Wanderer den Küstenweg entlang, und mehrere große dunkle Löcher funkelten aus dem grauen Fels.
Nachdem ich von draußen alles lange abwägend betrachtet hatte, ging ich in eine der Steinabbau– und späteren Schmugglerhöhlen. Dies sollte man nun eigentlich nicht machen, so bin ich auch nur fünf zaghafte Schritte geschritten, habe drinnen ängstlich in einem sehr weiten finstern Saale mit vielen noch finsteren Zugängen gestanden und bin sehr schnell wieder zum Tageslicht zurückgekehrt. Auch wenn diese Höhlen ob der Einsturzgefahr oder der des Sichverlaufens eben immens bedrohlich sind, so gibt es hier außer mehreren Warnschildern keine Absperrungen oder andere Sicherheitsvorkehrungen.
Hurtig erklomm ich den Coast Path, um zum zwei Meilen fernen St. Aldhelm’s (oder St. Alban’s) Head und der dortigen Kapelle zu gelangen. Dies war eine vortreffliche Wanderung, die blaue See tief unten zur nur armweiten und ungeländierten Linken, grüné Hügel zur Rechten. Viele Seevögel der verschiedensten Größen rauschten das Kliff entlang, Schmetterlinge und Hummeln lustwühlten an den sonnenerwärmten Blumen, Heupferde sprangen durch die Gegend und versinnbildlichten das olympische Motto: Höher, schneller, weiter. Irgendwo blieb ich einfach nur still stehen und kam meinem eigenhändigen Motto nach: Schauen, lauschen, schnuppern.
Direkt links unter mir in den Klippen mußte sich das Nest einer Großen Heringsmöwe befinden, ein riesiges weiß-​graues strahlend gelbäugiges Federvieh, drittgrößte Möwe der Welt, mit schwarzen Flügelspitzen, die jetzt über meinem Kopf elegant hin– und herschwebte. Damit ist sicher nicht gut spaßen, noch kirschenessen, dachte ich mir bewundernd, als jener gefiederter Freund immer dichter über mein beeindrucktes Haupt hinwegsauste. Im Bruchteil einer Sekunde erkannte ich, dass ich das hitchcock-​dumauriersche Opfer eines Die-​Vögel-​Angriffs wurde. Ich, der ich der friedlichste aller Menschen bin, galt ihr, der Großen Heringsmöwe als Feind und womöglicher Eierkopp… nein, –dieb und Nestraubbeschmutzer. Ich ging etwas schneller den Weg entlang, mich immer nach ihr umdrehend.
Äußerst mulmig wurde mir, wenn sie, nach weiter eleganter Wendung von der Landseite wie ein Sturzkampfbomber zu mir herabstieß, weil, wie angedeutet, nichts als der tiefe Fall meiner jenseitens harrte. Obwohl ich mich duckte, spürte ich ihren Luftstrom in meinem zu Berge stehenden Haar. Wie, frage ich mich, wenn ich mich nicht duckte? Jedesmal, wenn ihr Angriffstiefanflug für ein paar Sekunden vorüber war, nahm ich nicht nur die Beine in die Hand sondern letztere aus dem hässlich schreckenverzerrten Mund. Dann, wenn sie herandüste, blieb ich wieder stehen und duckte mich, irgendwann rannte ich nur noch, noch schneller als ich konnte. Diese Erzählung ist wirklich keine Aufschneidung, mir wird heute noch ganz schlecht, wenn ich daran zurückdenke!
Später, gefühlte 15 Furchtkilometer weiter, konnte ich nicht mehr, ich blieb schwer atmend stehen und sah mich um. Meine neue Erzfeindin, die Heringsmöwe, schwebte nun unaufgeregter durch die fernen Lüfte, die von mir eben noch angstscheissgebadeten, und verschwand alsbald in den Klippenfalten zu ihrem Nest. Um Atem ringend sah ich vorsichtig einmal, wo ich nun stand, das Kliff herunter und erblickte das Nest einer Mantelmöwe mit ihren grauen Federballkinderchen auf einem Felsvorsprung und diese Gattung ist nun weitaus größer als die der Großen Heringsmöwe und wie sie ein Raubvogel, spezialisiert auf Papageientaucher und verängstlichte, von ihnen gemobbte Wanderer. Sie war sehr schön, strahlend weiß mit tiefschwarzen Flügeloberseiten. Nachdem ich sie mit dem Teleobjektiv fotografiert hatte, ging ich, um mein Heil besorgt, schnell weiter, denn sie beobachtete mich schon recht bösgrimmig. Nun, da sie mich nicht mehr sehen konnte, erhob auch sie sich in die Seelüfte, aber sah mich gottseidank nicht nur das Weite suchen, sondern es auch finden.
St. Aldhelm’s Head ist ein gewaltiger Felsvorsprung, von welchem man großartige Aussichten die Küste entlang nach der Insel Portland hat. Der heilige Aldhelm war, glaube ich, jemand, der irgendwo und –wann einen Leuchtturm errichtet hatte. Vielleicht war seinen Namen tragende, hiesige Kapelle eben jener Leuchtturm oder ein anderer oder auch nicht. Man ist sich nicht sicher über die Verwendung und die eigenartig anmutende Platzierung der St. Aldhelm’s