Arsenal

Das Arsenal in der Nähe des Wiener Hauptbahnhofs ist ein größeres Kultur– und Freizeitareal, das zunehmend auch für spannende Wohnprojekte genutzt wird. In der Gegend befinden sich viele Firmen (u.a. A1, WIFO, Burgtheater Probebühne) und das Heeresgeschichtliche Museum, das jährlich mit seinem Outdoorweihnachtsmarkt besticht.
Während die Einen im Areal arbeiten, wird die Gegend von den Anderen gerne zum Joggen, zum Tennis spielen und zum Hundeausführen genutzt. Zunehmend werden den historischen Backsteinbauten neue Funktionen zugewiesen. Als Arbeitsplatz oder als nicht ganz billige Wohngelegenheiten haben die renovierten Bauten eine neue, zeitgemäße Daseinsberechtigung erlangt.

Der Schock der gescheiterten Revolution saß tief, sehr tief. Und die Ereignisse hatten gezeigt, dass der erste Feind des habsburgischen Kaiserhauses nicht in Paris, nicht in Berlin und schon längst nicht mehr am Bosporus zu suchen war. Nein, der erste Feind war das Volk selbst. Das aufstrebende liberale Bürgertum sympathisierte mit demokratischem Gedankengut und strebte nach politischer Mitbestimmung. Die gut ein Dutzend Volksgruppen fühlten sich von der relativ zwar größten, absolut aber in der Minderheit stehenden deutschen Bevölkerung, im Wesentlichen zu Recht, übervorteilt. Die Ungarn und Tschechen strebten ohnehin längst nach völliger Autonomie. Die Arbeiter, Marxens rasant wachsende industrielle Reservearmee, lebten in unerträglichen Zuständen und formten sich zur aufstrebenden sozialdemokratischen (und kommunistischen) Bewegung. Und der Kaiser, ja der fürchtete um Amt und Würden. Auch er hatte das Spiel also durchschaut. Doch was tun? Das Bürgertum ließ sich mit kleinen politischen Zugeständnissen beschwichtigen. Es hatte mittlerweile ja selbst viel zu verlieren. Aber sonst? Man klammerte sich an die Stützen, die das Reich groß gemacht hatten. An Kirche und Heer.
Ersterer schenkte der Kaiser 1855 das Konkordat und mit ihm einen späten Höhepunkt politischer Einflussnahme in österreichischen Landen. Eherecht und Schulwesen wanderten vom staatlichen zurück in den kirchlichen Machtbereich. Mit bis heute unübersehbaren Folgen. Dem Heer gab man Geld und Anerkennung. Und als sichtbarstes Zeichen ein Festungsdreieck um die ach so geliebte Residenzstadt. Nach Kaiser und Kronprinz benannte Kasernen am späteren Stubenring und in der Rossau, vor allem aber den überdimensionalen Militärkomplex im heutigen Bezirk Landstrasse. Auf einer Anhöhe gelegen, bot der Bauplatz freies Schussfeld. Auch zur Stadt hin. Den äußeren, vor allem aber den Feind im Innern wollte man abwehren. Und blenden. Die späteren Granden der Ringstraße, unter ihnen Ludwig Förster, Theophil Hansen, Carl Roesner, August Sicard von Sicardsburg und Eduard van der Nüll lieferten die Entwürfe, errichteten, nach Sektoren gegliedert, sechs Kasernen, ein Militärspital, Kommandantur-​, Fabriks– und Magazinsgebäude, die Militärkirche «Maria vom Siege» (natürlich) und, als repräsentativen Höhepunkt, das ambitionierte Waffenmuseum, den ersten als solchen konzipierten Museumsbau der Monarchie.
Nicht zufällig orientierte Hansen sich dabei am historischen Arsenal der Serenissima, war Venedig doch seit 1849 wieder Teil des Habsburgerreichs. Venezianische Gotik, gepaart mit maurisch-​byzantischen Bauelementen, prägte demnach die Architektur. Das Innere präsentiert sich als aufwendig gestaltete Ruhmes– und Gedenkstätte. In der Feldherrenhalle 56 lebensgroße Porträtstatuen der «berühmtesten, immerwährenden Nacheiferung würdiger Kriegsfürsten und Feldherren Österreichs» (Franz Joseph) aus sündteurem Carraramarmor. Im goldornamentierten Stiegenhaus die Helden der Revolution aus habsburgischer Sicht. Von Haynau, Radetzky, Windisch-​Graetz, Jelacic. In der befremdlich grandiosen Ruhmeshalle und ihren Nebenräumen schließlich die prachtvollen Fresken Karl von Blaas mit Siegen der kaiserlichen Armeen. In Nördlingen, Zenta und Turin etwa, in Belgrad, Würzburg und Innsbruck. Und natürlich auch anderswo. Wahrlich beeindruckend. Künstlerisch gesehen.
Kaum angekommen, ziehen wir schon wieder von dannen. Die Uhr tickt und das Leben ist kurz. Bedauerlich kurz. Wir wollen die Zeit also nutzen. Es wird uns in guter Erinnerung bleiben, das schöné Arsenal. Als ein strahlender Glanzpunkt historistischer Baukunst in Wien. Der achtstrahlendste, befindet unsere kleine Redaktion nach eingehender Beratung. Und gratuliert herzlich.
(Dieser Beitrag ist Teil der Serie «Wo in Wiens mit historistischen Bravourstücken überreich dekorierter Architekturlandschaft finde ich die gelungensten, eindrucksvollsten und überhaupt schönsten historistischen Profanbauten der Stadt?». Nähere Infos und Hintergründe unter
).